Kinderstiftungen und Kinderrechte und das Recht des Kindes um gesellschaftliche Teilhabe

22.07.2025

Erstveröffentlichung in der Zeitschrift für Montessori-Pädagogik - 63. Jahrgang (2025), Heft. 1 "Hilf mir, die Welt zu verstehen - Wie Kinder in der heutigen Zeit aufwachsen", S. 106-125 (mit freundlicher Genehmigung der Schriftleitung)

aktion weltkinderhilfe

Kinderstiftungen und Kinderrechte und das Recht des Kindes um gesellschaftliche Teilhabe

Gudula Meisterjahn-Knebel


Untersuchungen und Aufarbeitungen zur aktuellen Situation der Kinder gibt es derzeit viele. Da geht es zum einen um die Nach-Corona-Zeit, die Folgen des Klimawandels, zum anderen besonders gravierend und nur schwer auszuhalten um die allgegenwärtigen Kriege mit der Tötung Tausender von Kindern (Ukraine, Gaza, Syrien, Libanon, Jemen, Sudan usf.). Kein Wunder, dass sich die Meldungen zur Kindergesundheit, über Angststörungen und Depressionen bei Kindern und auch Jugendlichen vor allem in der Mitte des Jahres 2024 häuften. Verlässliche Daten dazu aus Afghanistan, China, Indien, Nordkorea sind kaum zu erhalten.

Dabei geht es ohne Zweifel bei der nationalen und internationalen Betrachtung der Situation der Kinder um ein zentrales Thema menschlicher Gesellschaften, das mit der Annahme der UN-Kinderrechtskonvention 1989 mittlerweile von 196 Staaten ratifiziert wurde. Es handelt sich um die größte Zustimmung von allen Menschenrechtsabkommen, zumindest auf dem Papier. Das nunmehr 35jährige Bestehen der UN-Kinderrechtskonvention wurde im November 2024 gefeiert.

Doch die aktuellen Meldungen zeigen überdeutlich, dass es bisher nicht gelungen ist, auch nicht in westlichen Staaten, die Situation der Kinder (und Jugendlichen) im gesellschaftlichen Raum so zu verankern, dass diese Gruppen unserer Gesellschaft als gleichberechtigter Teil wahrgenommen werden. Das Kind bzw. der junge Mensch bleibt „Der vergessene Bürger“. (1)

In diesem Zusammenhang spielen nun Kinderstiftungen, offenbar weil sie Nichtregierungsorganisationen sind, mehr und mehr eine Rolle, gerade im Einsatz für die Rechte des Kindes. So auch die Kinderstiftung aktion weltkinderhilfe des Stifters Franz Ludwig Solzbacher aus Bad Honnef, über deren Arbeit im Folgenden berichtet wird.


1. Stiftungen in Deutschland

Stiftungen bürgerlichen Rechts zählen zu den wichtigsten Akteuren der Zivilgesellschaft. Viele Stifter verstehen es als ihre Aufgabe, ihrem Erbe bzw. ihrem Erfolg einen Sinn zu geben, den sie ganz wesentlich und wirksam beeinflussen können. Fast alle Stiftungen finanzieren daher gemeinnützige Projekte. Der Stiftungszweck wird bei der Gründung festgelegt und kann danach nicht mehr wesentlich verändert werden.

Obwohl die Zahl der Stiftungen verglichen mit Beginn des neuen Jahrtausends auf mehr als das Doppelte gestiegen ist, von 10.500 in 2001 auf 25.777 Ende 2023 (vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen, www.stiftungen.org), geht die Stiftungs- und damit Spendenbereitschaft gemessen am Anstieg der Privatvermögen stark zurück. Die Spendenlücke beträgt etwa 20 – 40 Milliarden Euro gemessen am Zuwachs der Vermögen der reichsten 20 Prozent der Deutschen und ihrer Stiftungsbereitschaft vor 20 Jahren. Die Gründe dafür sind vielfältig und werden hier nicht erörtert.

Die bereits bestehenden Stiftungen stellen jedoch einen Weg dar, gesamtgesellschaftlich und damit auch politisch Einfluss nehmen zu können, um als engagierter Teil der Bürgergesellschaft klare Defizite der Politik zu korrigieren, wie in einer demokratischen Gesellschaft nicht nur notwendig, sondern erwünscht. Das gilt ganz besonders für die gesellschaftliche Stellung und die Rechte des Kindes, das Kind als Staatsbürger.

Die Zahl der Kinderstiftungen, die sich eben auch mit der Frage der Kinderrechte befassen, ist durchaus bemerkenswert. Zum Teil sind sie schon ziemlich alt, wie etwa die mittlerweile größte unabhängige Kinderrechtsorganisation der Welt, die Nichtregierungsorganisation „Save the Children“, gegründet 1919 in Großbritannien von der Lehrerin Eglantyne Jebb unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs. „Save the Children“ ist seit mehr als 100 Jahren für Kinder im Einsatz als nach wie vor sehr schlagkräftige, vor allem in Kriegsgebieten aktive Kinderhilfsorganisation, hier auch unterstützt von der aktion weltkinderhilfe.


2. aktion weltkinderhilfe – Kleine Stiftung mit großen Zielen – rechtsfähig, gemeinnützig, mildtätig und selbstlos tätig – mit Sitz in Bad Honnef

Diese Kinderstiftung hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kindern, Jugendlichen und ihren Familien durch die Verbesserung ihrer Lebens- und Bildungssituation zu einem Leben in Unabhängigkeit und Selbständigkeit zu verhelfen. Damit wird auch auf die politische Dimension der Stiftung verwiesen, auf Lebens- und Bildungsrechte. Im Jahr 2025 feiert die Stiftung stolz Geburtstag. Sie wird 20 Jahre alt.

Die Kinderstiftung aktion weltkinderhilfe schreibt sich zwar klein, doch sie stellt sich großen Herausforderungen. Als noch recht junge Hilfsorganisation wurden das Stiftungs- und Fundraisingkonzept, auch die Satzung, ab August 2005 u.a. in enger Kooperation mit der Stiftungsberatung der Bezirksregierung Köln entwickelt und am 7. Dezember 2005 durch den Kölner Regierungspräsidenten Hans Peter Lindlar ihrer Bestimmung übergeben. (2)

Bereits im zweiten Jahr ihres Bestehens konnten zuvor eingeworbene Spenden in Höhe von 30.000 Euro an die Projektpartner ausgeschüttet werden. Heute sind es jedes Jahr zwischen 250.000 bis 320.000 Euro, mit einem Peak im Jahr 2022. In dem Jahr wurden 520.000 Euro ausgeschüttet. Hier macht sich eine spezielle Spendensammlung für die Flutopfer nach der Hochwasserkatastrophe 2021 an Erft, Ahr, Olef und Urft bemerkbar, die im Rahmen einer Sonderausschüttung an Ort und Stelle vergeben wurden. Insgesamt wurden in zwanzig Jahren 3,5 Millionen Euro ausgeschüttet.


2.1 Stiftungszweck und Stiftungsarbeit

Es ging von Anfang an nicht darum, die x-te Kinderhilfsorganisation in Deutschland bzw. international zu sein, sondern benachteiligten Kindern und ihren Eltern bzw. Müttern in aller Welt konkret zu helfen. Die Kinderstiftung tut dies, indem sie sich inhaltlich, strukturell und operativ für ganz bestimmte Formen der Hilfe einsetzt, orientiert an den menschlichen Grundrechten.

Im Mittelpunkt der inhaltlichen Arbeit stehen deshalb:

  • die Familienhilfe

  • die Erwerbshilfe

  • die Ausbildungshilfe

für Kinder und Jugendliche und deren Mütter und Väter in benachteiligten Ländern in Mittelamerika, Afrika und Südasien und in Europa.

Familienhilfe

Statt einzelner Kinder fördert die aktion weltkinderhilfe immer die Kinder und Jugendlichen und deren Mütter (Frauen als Entwicklungsträger) und Familien sowie das gesamte solidargemeinschaftliche Umfeld in aller Welt. Diese Art der Hilfe wird auch explizit kommuniziert in Wort und Bild. Damit Kinder und Familien in benachteiligten Ländern sich aus ihren oft unerträglichen Lebenssituationen befreien können, bedarf es der begleitenden Unterstützung durch Menschen, die den Wert dieser Hilfe auch im internationalen Maßstab erkennen. Hierfür setzt sich die aktion weltkinderhilfe aktiv ein.

Erwerbshilfe

Statt kurzfristiger Katastrophenhilfe (die gibt es punktuell auch) bemüht sich die aktion weltkinderhilfe vor allem um Entwicklung und wirtschaftliche Gleichheit weltweit. Sie tut dies beispielsweise durch die Vergabe von sog. Starterkits für die besten Schülerinnen und Schüler nach Abschluss der Berufsausbildung (etwa im Centre des Métiers in Ougadougou, Burkina Faso). Denn wer Verantwortung für ein eigenes kleines Geschäft oder einen Handel übernimmt, kann sich und seiner Familie bald eine bessere Perspektive erarbeiten.

Damit sich Menschen in benachteiligten Ländern ein eigenes Auskommen schaffen können, bedarf es der verantwortungsvollen Hilfe von Experten, die Erfahrung im Umgang mit dieser Lebensgrundlage haben. Solche Menschen möchte die aktion weltkinderhilfe gewinnen (seit einigen Jahren in Zusammenarbeit mit dem SES, dem Senior Expert Service gGmbH in Bonn – https://ses-bonn.de).

Ausbildungshilfe

Statt sich bei Bildung und Ausbildung nur auf die Kinder zu konzentrieren, geht die aktion weltkinderhilfe einen Schritt weiter. Sie kümmert sich auch um deren Eltern und fördert neben Schul- und Ausbildungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche die Erwachsenenbildung, vor allem eben auch die Lehrerbildung. Wer selbst lesen und schreiben kann, billigt dies auch seinen Kindern zu und kämpft dafür. Nur so können Menschen in benachteiligten Ländern den Teufelskreis aus Unwissenheit, Abhängigkeit und Ausbeutung durchbrechen und selbstbestimmt handeln lernen. Dabei will sie die aktion weltkinderhilfe fundiert begleiten.


2.2 Mittelpunkt der strukturellen Arbeit

Das Besondere der aktion weltkinderhilfe ist, dass sie keine eigenen Hilfs- und Bildungsprojekte unterhält. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen stattdessen:

  • die Ansprache

  • die Unterstützung

  • die Zusammenarbeit

von und mit Klein- und Kleinstorganisationen aus dem Bereich der Entwicklungshilfe in Deutschland. Die aktion weltkinderhilfe versteht sich als Sprachrohr und Sammelpunkt für Klein- und Kleinstorganisationen in Deutschland, die Menschen in benachteiligten Ländern kompetent und erfolgreich helfen und die darin ihre Kernaufgabe sehen.

Viele dieser Organisationen leisten sehr erfolgreiche Arbeit, haben aber weder Zeit noch Personal, um sich in einem breiteren Rahmen Gehör zu verschaffen oder gar Mittel zu rekrutieren. Die aktion weltkinderhilfe geht aktiv auf solche Organisationen zu und bietet ihnen durch Know-how, Erfahrung und Infrastruktur eine effektive operative Unterstützung.

Es gibt kein einziges durch die aktion weltkinderhilfe gefördertes Projekt, das nicht vom Stifter, Stiftungsrat, Vorstand und/oder Kuratorium gekannt und auch überprüft worden ist und wird. Diese Kleinstorganisationen profitieren von der professionellen Arbeit der Kinderstiftung in den Bereichen der Netzwerkarbeit (auch in der Kontaktaufnahme der Projektpartner untereinander), der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und dem Fundraising und Spendenmarketing.

Sehr erfolgreich waren wir beispielsweise mit unserer Spendengala zum Auftakt des Karnevals immer im November „Kölsche Tön für die Kinder der Welt“, die mehrere Jahre lang im Bad Honnefer Kursaal stattfand und ein hohes Spendenaufkommen generierte. Aus Kostengründen klappt diese Veranstaltung nun nicht mehr – leider.

Also: Nicht immer einfach. Jede Veränderung in unserem gesellschaftlichen Leben, angefangen von Corona über Flutkatastrophen, Kriege, gescheiterte Koalitionen, schlägt sich in der Spendenbereitschaft der Menschen nieder. Viele Spender prüfen zudem nicht genau, welche Wirkung Hilfsorganisationen haben, dass nämlich oft die Kleineren eine viel größere Effektivität besitzen bei relativ geringen Nebenkosten.

Im Folgenden werden deshalb zunächst alle von der aktion weltkinderhilfe aktuell geförderten Projekte kurz vorgestellt, um dann anschließend das bisher nachhaltigste und sehr effektiv vernetzte Projekt, ein Berufsausbildungszentrum in Ougadougou, Burkina Faso in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen.


3. Projekte und Partner der aktion weltkinderhilfe

Alle Projekte, die von der aktion weltkinderhilfe unterstützt werden, wurden gerade in den letzten Jahren vor große Herausforderungen gestellt. Kinder und Jugendliche waren massiv betroffen von einer langen Zeit der Einschränkungen während der Corona-Pandemie. Niemand hat da nach den Kinderrechten gefragt. Niemand hat überhaupt nur versucht, die gravierenden Einschnitte im Leben der Kinder und Jugendlichen abzuschwächen. Niemand hat sie bis heute wieder gut gemacht. Man hat darüber geredet, wie schön. Die Auswirkungen zeigen sich nun.

Angst ist beispielsweise zu einem dominierenden Begleitfaktor im Leben der Kinder und Jugendlichen geworden, nicht zuletzt noch verstärkt durch den Ukraine-Krieg und die massiven kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien, Israel, Gaza und dem Libanon. Ganz zu schweigen von der Situation der Kinder dort.

Auch die Kinderstiftung merkt natürlich diese Auswirkungen, weil sie von Beginn an international ausgerichtet war. Die Anfragen erhalten andere Schwerpunkte, weil, wie etwa in Burkina Faso, mehr als eine Million Binnenflüchtlinge in Richtung Hauptstadt zogen. Oder auch in Bad Honnef viele ukrainische Flüchtlingskinder besondere Unterstützung brauchen.

Mittlerweile ist die Stiftung nun seit knapp 20 Jahren mitbeteiligt vor allem an der Förderung von Bildungsprojekten für Kinder und Jugendliche weltweit. Ein zweiter Schwerpunkt ist die Unterstützung der Lehrerausbildung, da sie beispielsweise in Südafrika die Voraussetzung dafür ist, dass überhaupt irgendwann einmal öffentliche Mittel fließen.

Über die Jahre hinweg sind bereits überprüfbar nachhaltige Projekte entstanden, die überzeugend in ihrer Arbeit und in ihrem Engagement sind. Die jeweiligen Jahresberichte geben einen differenzierten Überblick über die einzelnen Projekte (https://www.aktionweltkinderhilfe.de/ueber-uns/jahresberichte/).

Festhalten lässt sich, dass viele ehren- und hauptamtlich arbeitende Menschen voller Engagement in den Bildungsprojekten der aktion weltkinderhilfe mitarbeiten und diese nach und nach räumlich und pädagogisch gewachsen sind. So erreicht die Stiftung in Südafrika auch dank der vielen treuen Spender sowie deren Kooperation untereinander inzwischen beispielsweise Tausende von Kindern. Jeder gibt das, was er kann. Es sind auch einzelne Menschen dabei, deren Großspende die Errichtung eines Schulgebäudes zulässt. Da zeigt sich immer wieder, was die Aktivität einzelner tatsächlich bewirken kann. Initiative ist gefragt und natürlich unbürokratische Umsetzung. Handlungsorientierung steht im Vordergrund.


3.1 Im Jahr 2023 geförderte Projekte – Überblick
  • Kinderhospiz Sterntaler e.V. (nahe Mannheim): Seit Stiftungsgründung gefördert. Unverzichtbarer Zufluchtsort für Familien mit schwer erkrankten Kindern. Innovative Therapieangebote seit 2002.

  • Cassiopeia e.V., Bonn: Seit 2021 gefördert. Fokus auf Kommunikation und Verstehen durch Zuhören. Workshops for Life zur Berufsorientierung.

  • Bad Honnef tanzt: Ganzheitliches kulturelles Angebot für Kinder und Jugendliche nach der Pandemie. Tanztheater und Kunstprojekte, ausgezeichnet mit dem Bundespreis „Mixed up“.

  • Sterntaler Bonn e.V.: Sozialsponsoring für Kinder in Bonn. Frühstück, Mittagessen, Sprach-, Sport-, Lern- und Musikförderung, Klassenfahrten, Berufsberatung u.v.m.

  • Deepam – Kinder- und Jugendtherapiezentrum, Auroville (Indien): Ganzheitliche Therapie für Kinder mit körperlichen und geistigen Behinderungen. Schwerpunkt auf Physio-, Ergo-, Sprachtherapie und Einzelbetreuung.

  • Shangilia Deutschland e.V., Kenia: Unterstützung des Straßenkinderheims „Shangilia“ in Nairobi. Ganzheitliche Bildung mit Unterkunft, Verpflegung, Schule, Akrobatik, Tanz, Musik, Skatepark, Photovoltaik, Schulgarten u.v.m.

  • Kochöfenprojekt, Guatemala: Installation rauchfreier Kochöfen in Hütten im Hochland. Reduktion der Kindersterblichkeit durch bessere Luftqualität. Familien leisten Eigenanteil von ca. 15 %.

  • Father Charles Convention e.V., Uganda: Projekt „Hand in Hand for a Better Life“ im Dorf Kasambya. Ganzheitliche Entwicklung: Wasser, Gesundheit, Bildung, Landwirtschaft, Energie, Mobilität. Berufsausbildung und Schulbau mit Unterstützung des BMZ.

  • Kinderhilfe Kapstadt, Südafrika:

    • Little Lambs, Hout Bay: Kindertagesstätte für über 260 Kinder aus dem Township Imizamo Yethu.

    • Imizamo Yethu Learning Hub: Nachmittagsbetreuung für Grundschulkinder.

    • Heuwel Speelskool, Calitzdorp: Tagesbetreuung für 245 Kleinkinder, Freizeitangebote für Ältere.

    • True North: Dachorganisation für rund 30 Kindergärten in Overcome Heights/Vrygrond. Fokus auf Ausbildung der Erzieherinnen und Eltern, Registrierung für staatliche Förderung, Bau neuer Einrichtungen.

  • CODE – Cooperativa Desenvolvimento de Cabo Verde, Sal – Kapverden: Unterstützung von Kindern mit Gewalterfahrungen. Tagesbetreuung, Schulmaterial, Lebensmittel, psychologische Hilfe, Fußballteam.

Darüber hinaus werden je nach Finanzlage und Antrag weitere Projekte gefördert – vor allem in Deutschland. Ziel ist stets die Förderung von Unabhängigkeit und Selbständigkeit von Kindern und Jugendlichen. Beispiel: Reitgemeinschaft Unkel gGmbH (therapeutisches Reiten unter Inklusionsaspekten), Sportförderung, Flüchtlingshilfe u.a.


4. Das “Centre des Métiers” (CM) der Association Bangr Nooma (NPO) in Ougadougou, Burkina Faso

Beispiel für die Nachhaltigkeit der Stiftungsarbeit im Sinne individueller und gesellschaftlicher Wirksamkeit

Der Name Burkina Faso ist eine Zusammensetzung aus den beiden Hauptsprachen des Landes: burkĩna ist Mòoré und bedeutet „ehrenwerte Person“, das Wort faso entstammt der Sprache Dioula und heißt „Vaterland“. Burkina Faso bedeutet dann wörtlich „Vaterland der ehrenwerten Menschen“.

Seit 1960 (bis 1984 noch Obervolta genannt) ist das Land unabhängig von der vormals französischen Kolonialherrschaft, die 1896 begann. Nach wie vor leben gut 3000 Franzosen dauerhaft im Land. Die das Land seit 2022 regierende Militärjunta hat den Einsatz von Frankreichs Soldaten 2023 offiziell für beendet erklärt. Französisch ist weiter Amtssprache und wird noch lange nicht von jedem Burkinabe gesprochen, ist daher auch Pflichtfach in den Schulen des Landes.

Zahlenmäßig stärkste Ethnie sind die Mossi (40 %), ansonsten besteht die Bevölkerung aus einem Mix unterschiedlicher autochthoner Gruppen mit ihren jeweiligen Königen. Etwa 60 eigenständige Sprachen existieren nebeneinander. Die Geburtenrate ist hoch, für das Jahr 2050 rechnet man mit einer Bevölkerung von mehr als 43 Millionen (aktuell mindestens 23 Millionen – Bevölkerungswachstum rund 3 % pro Jahr derzeit).

Burkina Faso liegt im Inneren Westafrikas, südlich der Sahelzone und ist daher geprägt durch große Trockenzeiten und wenig Regen. Das Land gehört aufgrund der ungünstigen Lage als Binnenland und des fehlenden Anschlusses an Wirtschaftsmärkte (zu hohe Transportkosten) zu den ärmsten Ländern der Welt, zeichnete sich aber durch eine bisher relative Stabilität und kulturelle Vielfalt der friedlich zusammenlebenden Ethnien aus. Aktuell versuchen allerdings islamistische Terrorgruppen diese Stabilität immer wieder zu untergraben.

Regelmäßig wiederkehrende Dürreperioden sorgen oft für große Not der Bevölkerung. Der Versorgungsgrad mit Strom und Wasser ist im ganzen Land sehr niedrig. Durch den Bau des Stausees nahe Ouagadougou hat sich für die Hauptstadt die Situation seit 2004 etwas entspannt. Strom wird zum größten Teil aus der Verbrennung von importierten fossilen Brennstoffen (Erdöl, Erdgas) oder auch aus Wasserkraft gewonnen. Solarenergie ist nur eine Randerscheinung.

Telefoniert wird in der Regel über Mobiltelefone, da das Verlegen von Telefonleitungen kaum finanzierbar ist. Viele Menschen verdienen sich mit dem Handel auf der Straße oder kleinen Dienstleistungen ihren Lebensunterhalt. Dem Staat entgehen dadurch Steuereinnahmen und die Arbeitslosenzahlen können so kaum korrekt ermittelt werden. Etwa 45 % der Einwohner leben unter der Armutsgrenze (=1,25 US$). Das Land hat eine Reihe von Bodenschätzen, die aber nicht systematisch gewonnen werden.

In der Gruppe der Entwicklungsländer zählt Burkina Faso zum Kreis der hochverschuldeten Entwicklungsländer, es ist ein sehr armes und wenig entwickeltes Land: Lebenserwartung 61,2 Jahre, Mittelwert Schulbesuch 1,6 Jahre – Alphabetisierungsrate 42 %, mehr Jungen als Mädchen. Große Probleme einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung stellen das zu niedrige Bildungsniveau und das zu schnelle Bevölkerungswachstum dar.

In Burkina müsste nach Auskunft des Deutschen Botschafters zurzeit jeden Tag (!) eine Schule gebaut werden. Stattdessen gehen die meisten Kinder nicht zur Schule. Etwa 75 von 1000 geborenen Kindern sterben derzeit noch, fünf Ärzte kommen auf 100.000 Einwohner.


4.1 Zielsetzung und Aufbau des Berufsausbildungszentrums „Centre des Métiers“ im Stadtteil Nioko I, Ougadougou

Dieses sehr nachhaltige und in die Breite wirkende Berufsausbildungsprojekt wird seit 2007 jedes Jahr mit einer erheblichen Spendensumme seitens der Kinderstiftung aktion weltkinderhilfe unterstützt mit dem Ziel der nachhaltigen Überwindung der Armut hin zu einem selbst bestimmten Leben.

Träger dieser berufsbildenden Schule, die auf staatliche Abschlüsse vorbereitet, ist die Organisation Bangr Nooma. Die Schule ist das zweite große Projekt dieses Vereins. In der Lokalsprache der Mossi ist „Bangr Nooma“ das richtungsweisende Motto: „Es gibt nichts Besseres als Wissen“.

Bangr Nooma verstand sich zu Beginn als Aufklärungskampagne zur Abschaffung der weiblichen Genitalverstümmelung. Die Organisation wurde 1998 von der Burkinabe Rakieta Poyga-Sawadogo gegründet, die zuvor in Berlin Volkswirtschaft studiert und bis zu ihrem Ruhestand 2023 in verantwortlicher Position bei der GIZ gearbeitet hat. Eine enge Kooperation verbindet Bangr Nooma sehr erfolgreich über die Jahre hinweg auch mit Terre des Femmes.

Frau Poygas zentrale ehrenamtliche Projektaktivitäten sind Aufklärungsarbeit, die Durchführung von Schulungen sowie Einzelfallhilfe, Schutz und Beratung für gewaltbetroffene Mädchen und Frauen. Für ihr Engagement in der Arbeit gegen die Genitalverstümmelung und für Frauenrechte wurde sie 2018 anlässlich des 20-jährigen Bestehens von Bangr Nooma mit dem Orden für Gesundheits- und Sozialwesen des Landes Burkina Faso ausgezeichnet, der Medaille Chevalier. Eine weitere Auszeichnung erfolgte zuletzt im Oktober 2024 in Köln, die Verleihung des Pauline-Jaricot-Preises durch missio Aachen.

Aus einem Projekt für Mädchen und Frauen wurde nun Jahr für Jahr ein noch weitaus umfassenderes Bildungsprojekt, das Centre des Métiers, in dem nun auch Jugendliche und junge Erwachsene sowie ganz aktuell eine Gruppe von Binnenflüchtlingen aufgenommen wurde.

Rakieta Poyga weiß, dass Bildung der entscheidende Schritt ihrer Aufklärungsarbeit ist. Sie weiß zudem, dass sehr viele junge Menschen keinen bzw. nur einen erschwerten Zugang dazu haben. Die Gründung eines Berufsausbildungszentrums war daher der logisch nächste Schritt unter dem Dach von Bangr Nooma, als zweiter Schwerpunkt in einem weiteren damals neu errichteten Gebäude. Aus ursprünglich familiären Kontakten zu Rakieta Poyga-Sawadogo wurde ein nachhaltiges Frauen- und Berufsausbildungsprojekt.

Im Berufsausbildungszentrum erlernen 12–18-jährige Jungen und Mädchen mit bislang wenig allgemeiner Schulbildung nun Französisch, Mathematik, Sozialkunde und Gesundheitserziehung. Dazu wählen sie eine Ausbildung in den Ausbildungsbereichen:

  • Schweißerei/Schlosserei

  • Schneiderei

  • Elektrik

  • Zweiradmechanik

Ganz neu dazugekommen ist der Bereich Hauswirtschaft. Diese „Apprentissage“ genannte einfachste Form der beruflichen Bildung wird in der Regel als nicht-formelle Ausbildung angeboten. Es gibt keine Zugangsvoraussetzungen. Jede/r kann sich bewerben, er/sie muss allerdings regelmäßig die Schule besuchen.

Die Ausbildung dauert in der Regel zwischen 3 und 4 Jahren und findet in Zusammenarbeit mit umliegenden Betrieben (in der Regel 45 Tage in einem Betrieb) statt. Am Ende der Ausbildung erfolgt eine Meldung zum staatlichen Abschluss, dem „Certificat de Qualification“ (CQP). Inzwischen hat das Berufsausbildungszentrum die staatliche Anerkennung erhalten und zum ersten Mal selber Prüfungen abgehalten. Ein höherer Abschluss, das „BQP“, ist für den Bereich Elektrik geplant. Damit wäre den Absolventen der Erhalt des Abschlusses BQP – Brevet de Qualification Professionnel möglich, der aktuell noch außerhalb der Schule vor einem staatlichen Gremium abgelegt werden muss.

Das Schuljahr ist in Trimester unterteilt und geht von Oktober bis Mai in Anlehnung an die Termin- und Lehrpläne der staatlichen Vorgaben.

Partner des Zentrums sind die Stiftung aktion weltkinderhilfe und der Senior Expert Service SES – Bonn. Letzterer liefert das fachliche Know-how durch die regelmäßige Entsendung von sog. Experten, die die Lehrkräfte vor Ort unterstützen, die Kinderstiftung coacht und stellt die Finanzierung sicher.

Von den Schülern des Zentrums sind über die Jahre ca. 30 % weiblich und 70 % männlich, das hängt u.a. auch mit der Art der angebotenen Berufe zusammen. Aktuell haben von 23 Schülern der Schneiderei 22 Frauen diesen Bereich gewählt und 1 Mann, Elektrik – 4 Frauen und 64 Männer, Schweißen – acht Männer, keine Frau, Zweiradmechanik – 4 Männer, 1 Frau. Der Ausbildungsbereich Elektrizität erfreut sich der größten Beliebtheit.

Überlegungen stehen im Raum, eine Ausbildung im Bereich Photovoltaik einzurichten. Generell lässt sich festhalten, dass die Schüler der Elektrikerklasse aufgrund der Praktika in den Betrieben in der Regel von diesen auch übernommen werden. Die Absolventen der Schneiderklasse und der Zweiradmechanik machen sich oft selbständig und gründen eigene Geschäfte.

Um das noch weiter zu fördern, erhalten seit 2020 jeweils die drei besten Absolventen eines Jahrgangs ein „Starterkit“ für eine eigene Unternehmensgründung:

  • Schlosser und Elektriker: Starterkit im Wert von je ca. 150 Euro

  • Schneiderinnen: eine Singer-Nähmaschine im Wert von 150 Euro

Das Interesse an der ursprünglich auch angebotenen Schweißer- sowie Mechanikerausbildung hat deutlich abgenommen, sie wird vorübergehend nicht mehr eingerichtet. Es gibt Interesse seitens der männlichen Schülerschaft, Kontakte zum Tiefbau aufzunehmen, Fahrer auszubilden für die schweren Straßenmaschinen. Der Verein ABN lehnte bisher diese Überlegung ab, da sie nicht zur Stärkung der Frauenbildung beiträgt (was weiterhin ein großes Anliegen bleibt).

Mit dem neuen Angebot einer Ausbildung im hauswirtschaftlichen Bereich vor allem für die Binnenflüchtlinge, verbunden mit ersten Kenntnissen der Kinderpflege, aber auch der Anlage eines Hausgartens, reagiert das Berufsausbildungszentrum auf die aktuelle Lage in und um Ougadougou. Die Flüchtlinge (sehr viele Frauen mit Kindern) kommen aus dem Norden Burkina Fasos an der Grenze zu Mali und fliehen vor den Terrortaten der islamistischen Gruppe Boko Haram, die gnadenlos in ihren Metzeleien ist.

Die Frauen werden mit ihren neu erworbenen Kenntnissen im hauswirtschaftlichen Bereich gerne eingestellt und können zudem noch ihre Kinder versorgen. Manche dieser Gruppen bekommen im Zentrum schlichtweg auch nur Überlebenshilfe wie Nahrung und Kleidung.

Eine Reihe von Schülern bleibt auch ohne Abschluss, sie sind manchmal noch zu jung und/oder oft nicht gewohnt regelmäßig zur Schule zu gehen. Viele sprechen kein Französisch. Doch auch Schüler, die den staatlichen Abschluss CQP nicht erreichen, haben etwas gelernt. Die Erstellung eigener Zeugnisse ist deshalb in Angriff genommen.

Für dieses Projekt gilt, dass ohne die kontinuierliche Unterstützung durch die aktion weltkinderhilfe die Arbeit des Berufsausbildungszentrums nicht möglich wäre.


4.2 Zusammenarbeit mit der AG Entwicklungspolitik Schloss Hagerhof

Seit vielen Jahren besteht eine enge Zusammenarbeit von Kinderstiftung und Montessori-Schule Schloss Hagerhof (Gymnasium mit Realschulzweig und Internat in Bad Honnef). Jährlich wird an einem Tag des Schuljahres ausschließlich für die Projekte in Burkina Faso gearbeitet (neben dem Zentrum sind das die Grundschulen A und B in Kienfangué, Commune rurale de Komsilga).

Fest im Schulkonzept verankert ist diese solidarische Arbeit, Schüler der Oberstufe besuchten regelmäßig das Dorf und wurden auf die unterschiedlichste Art und Weise aktiv. Diese Schülerbesuche sind aktuell nicht mehr möglich aufgrund der besonderen politischen Situation, wohl aber Besuche seitens der verantwortlichen Erwachsenen bzw. auch Gegenbesuche aus Burkina Faso am Hagerhof.

Der digitale Kontakt zwischen den Schülerinnen und Schülern bleibt bestehen, da einige Laptops für die afrikanischen Schulen gekauft werden konnten.


5. Kinderstiftungen und Kinderrechte und Maria Montessori

Die Stiftung aktion weltkinderhilfe als relativ junge Hilfsorganisation, die seit dem Zeitpunkt ihrer Gründung Ende 2005 weltweit Projekte für Kinder und Jugendliche in prekären Lebenssituationen fördert, wird weiterhin regelmäßig Spenden sammeln. Ziel der Förderung muss sein, den betroffenen Menschenkindern ein unabhängiges und selbständiges Leben zu ermöglichen.

Die Stiftung gibt Hilfe zur Selbsthilfe unter Einbezug der Ideenentwicklung und Vorschläge der jeweiligen Projektpartner. Im Mittelpunkt stehen deshalb Ausbildung, Weiterbildung und Familienfürsorge, wobei vor allem Kleinstprojekte Unterstützung erhalten, die durch andere Programme nicht aufgefangen bzw. unterstützt werden.

Die Stiftung ist davon überzeugt, dass Nelson Mandelas Leitsatz „Education is the most powerful weapon which you can use to change the world.“ uneingeschränkt weiter gilt. Deshalb stehen Bildungsprojekte für Kinder, Jugendliche, deren Mütter und Familien explizit im Vordergrund.

Auch Soforthilfeprogramme, mit denen es schnell und unbürokratisch um die Linderung von Leid geht, die bei Krisen, Naturkatastrophen und Hungersnöten sofort greifen, werden umgesetzt (Beispiel Binnenflüchtlinge Burkina Faso, Beispiel Flutopferhilfe Schleiden/Eifel).

Wir sind uns der Verantwortung bewusst, die wir als Teil Europas vor allem für den Kontinent Afrika mit seiner besonderen geografischen und bevölkerungspolitischen Situation haben. Die Zukunft Europas entscheidet sich in Afrika. Das ist vielen Menschen in Europa nach wie vor nicht bewusst.

Bereits seit Stiftungsbeginn begleiten wir daher auch afrikanische Kinder- und Bildungsprojekte in ihrer Entwicklung und das mit großem Erfolg.

Wer den Armutsbericht der Bundesregierung kennt, weiß aber auch, dass in Deutschland mittlerweile ebenfalls viele Kinder und Jugendliche unterhalb der Armutsgrenze leben. Auch wir haben obdachlose Straßenkinder. Viele Kinder müssen aus ihren Familien genommen werden, weil sie in ihrer Entwicklung gefährdet sind.

Aber: Kinder sind von sich aus nicht in der Lage, ihre spezifische Lebenssituation zu ändern. Weltweit werden ihre Rechte mit Füßen getreten. Kinder schuften für den Weltmarkt, Kinder müssen sich prostituieren, mit Mädchen und Jungen wird Handel getrieben, sie werden ausgebeutet, vermarktet, zerstört. Sie treten als Soldaten in aussichtslosen Kriegen an oder werden als Straßenkinder einfach erschossen. Auch wir in Deutschland vergessen oft, dass Kinder Menschen mit Grundrechten sind – vom ersten Lebenstag an. Kinderrechte sind Menschenrechte, denn Kinder sind keine Menschen in Vorbereitung.

Wir Erwachsene sind aufgerufen, uns zu engagieren, damit diese Grundrechte als Kinderrechte umgesetzt werden können:

  • das Recht auf Achtung

  • das Recht auf Schutz und Fürsorge

  • auf einen Namen und eine Staatsangehörigkeit

  • das Recht auf Identität

  • ein Zusammenleben in der Familie

  • auf Meinungs- und Informationsfreiheit

  • auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit

  • auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

  • das Recht auf Schutz der Privatsphäre und der Ehre

  • auf Schutz vor Gewalt, Misshandlung und Verwahrlosung

  • das Recht auf besondere Förderung und Betreuung im Falle einer Behinderung

  • auf Gesundheitsvorsorge

  • auf angemessene Lebensbedingungen

  • das Recht auf soziale Sicherheit

  • auf Bildung

  • auf Minderheitenschutz

  • auf Schutz vor Ausbeutung jeglicher Art

  • und das Recht auf einen Rechtsbeistand

(Kurzfassung Wortlaut der UN-Kinderrechtskonvention, wie sie am 20. November 1989 verabschiedet wurde). (3)

In diesem Zusammenhang sei unbedingt verwiesen auf die Zusammenstellung von Texten der unvergessenen Maria Montessori zum Thema Kinderrechte – Untertitel: Die soziale Frage des Kindes, erschienen in der Reihe Montessori-Perlen. (4)

Alle hier als Kompendium herausgegebenen Texte Montessoris führen vor Augen, wieweit diese vor rund 100 Jahren in ihrer Analyse des Stellenwerts der Kindheit bereits war. Alles, alles gilt so gut wie uneingeschränkt bis heute:

  • Der vergessene Bürger

  • Die soziale Frage des Kindes

  • Die Ziele der sozialen Partei des Kindes

  • Kinderhaus und kulturelle Umgebung

Jedem sei die Lektüre ans Herz gelegt, ihn damit unmittelbar zur Handlung auffordernd.

Was ist das Besondere dieser Texte? Montessori fordert, das Kind nicht nur als ein menschliches Wesen zu betrachten, sondern auch „als Bürger, d.h. als ein vergesellschaftetes Wesen, dessen Existenz von der gesellschaftlichen Organisation abhängt.“ (5)

Und weiter:
„[…] unsere gesellschaftlichen Prinzipien oder Vorurteile, unser mangelhaftes Verständnis für die Kindheit haben allerdings bis jetzt einen Teil des menschlichen Lebens, nämlich die Kindheit, von den Rechten des Bürgers ausgeschlossen.“ (6)

Ja, wie wahr ist das denn? Dann schaffen es also Kinderstiftungen in ganz anderer Weise auf die Entwicklungsbedürfnisse des Kindes und seine Lebensrechte aufmerksam zu machen als das bislang qua politischer Entscheidung passierte und passiert? Denn hier läuft das zivilgesellschaftliche Engagement, das nur deshalb offenbar wirksam ist und wird.

Gleichzeitig ist es aber eine Bankrotterklärung des jeweiligen Staates, der die Gleichberechtigung des Kindes etwa im Sinne des Grundgesetzes, in seiner gesellschaftlichen Existenz nicht umsetzt, sondern einfach übergeht oder gar lächerlich macht.

All das mündet bei Montessori konsequent in der Forderung nach einem Ministerium für menschliche Entwicklung. (7)

Sehr deutlich macht sie zudem darauf aufmerksam, dass die Kinderrechtserklärung zunächst vor allem ein christlicher Aufruf gewesen sei (die Hungernden zu speisen, die Nackten zu bekleiden, den Schuldigen zu vergeben und die Kinder zu lieben). Nur der erste Artikel bezeichne ein Recht:
„Das Kind muss die notwendigen Mittel haben für seine normale Entwicklung.“ (8)

Das hat sich inzwischen geändert, wie ein Blick in die Artikel der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen von 1989 zeigt. Das Besondere der Kinderrechtskonvention ist, dass sie die Menschenrechte für die speziellen Bedürfnisse des Kindes definiert. Der Leitgedanke der Kinderrechtskonvention ist in Art. 3 festgeschrieben:

„Bei allen Entscheidungen, die Kinder betreffen, erhält das beste Interesse des Kindes Vorrang.“

Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist enorm – leider. (9)

Denn allein Barmherzigkeit stellt noch keinen Fortschritt hinsichtlich der gesellschaftlichen Ungleichbehandlung von Kindern und Erwachsenen dar und löst nicht die besondere soziale Frage des Kindes. Die religiös bestimmte Haltung der Nächstenliebe muss durch eine politische ausgetauscht werden, die dem Kind die Rolle als Staatsbürger zuerkennt.

Montessori betont immer wieder die Anerkennung der gesellschaftlichen Stellung des Kindes als Staatsbürger! Ihre Vorstellung davon formuliert sie auf einem Flugblatt von 1937 bzw. 1939:
„Die Ziele der sozialen Partei des Kindes.“ (10)

Darin besteht die Kernaufgabe auch der Kinderstiftungen:

Den Kindern dieser Welt mehr und mehr eine Stimme durch Alphabetisierung und Bildung zu geben.

Wie schon dargestellt, werden die Kinderrechte weiterhin überall missachtet – eben auch bei uns. Dafür gibt es viele Belege. Kinder sind Erwachsenen hoffnungslos unterlegen. Es sind nicht nur die furchtbar vielen Fälle von Kindesmissbrauch, von Kinderbeseitigungen. Es ist das perfide Spiel, eher Ausspielen von Macht gegenüber Abhängigen, oft sogar durch entsprechende Systeme institutionalisiert.

Darauf machen zu Beginn des Jahres 2025 auch die Sternsinger aufmerksam, die in den Mittelpunkt ihres Dreikönigssingens in diesem Jahr die Kinderrechte stellen. Sie fordern die Achtung, den Schutz und die Umsetzung der Kinderrechte weltweit und sammeln dafür Geld, indem sie von Tür zu Tür ziehen:

Knapp 1,4 Milliarden Euro sind seit 1959 zusammengekommen – ein großes Zeichen der Solidarität unter Gleichaltrigen.

Der geschilderte „besondere Umgang“ mit Kindern hat auch mit einer gesellschaftlichen Entwicklung zu tun, die seit langem anhält und grob auch mit der unaufhaltsamen Medialisierung bzw. Technisierung verbunden ist: dem Verschwinden der Kindheit. (11)

Allzu viele Erwachsene vergessen, dass Kindheit ihre eigene Art zu erleben, zu sehen, sich zu entwickeln hat. Kinder sind vollkommen andere menschliche Wesen als Erwachsene. Wir, die Erwachsenen, haben die Aufgabe, ja die Pflicht, dafür zu sorgen, dass Kinder sich anders als Erwachsene entwickeln dürfen.

Diese andere Sichtweise auf Kinder war eine Errungenschaft des 20. Jahrhunderts. Kinder brauchen einen Schonraum, haben aber gleichzeitig alle Rechte eines Bürgers in einer freien Gesellschaft. Das 20. Jahrhundert wurde einmal als Jahrhundert des Kindes ausgerufen. Wo ist es geblieben?

Weltweit betrachtet brauchen Kinder:

  • Wasser-,

  • Ernährungs- und

  • Energiesicherheit,

wie immer wieder auf internationalen Konferenzen zum gleichen Thema herausgestellt. Millionen von Kindern sterben an Durchfallerkrankungen allein aufgrund des Mangels an sauberem Wasser und Abwassersystemen.

Jeder Politiker ist erst Kind, ehe er Politiker wird.

Darauf verweist Astrid Lindgren in ihrer Rede anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1978, in der sie sich ausdrücklich gegen Gewalt in der Erziehung einsetzt (stark verkürzt):

„Wenn wir die Kinderrechte akzeptieren und ihre Umsetzung unterstützen, beginnend mit dem ersten Lebenstag eines jeden Kindes, wenn wir mit Kindern und Jugendlichen in Respekt, Geduld und Liebe zusammenleben, dann werden wir Politiker bekommen, die menschliche Gesellschaften zum Positiven verändern, die sich engagieren, damit die Menschheit eines Tages wirklich in Frieden zusammenleben kann, damit Menschen kooperieren, nicht kämpfen.“
Niemals Gewalt ist ihre Kernforderung auf dem Weg der Umsetzung der Kinderrechte. (12)

Liest sich banal, ist aber wahr. Die Bedeutung der Primärsozialisation verkennt niemand mehr. Die Stiftung aktion weltkinderhilfe will mit ihren Projekten einen wirkungsvollen Beitrag zur Beachtung der Kinderrechte leisten. Sie bietet den organisatorischen Rahmen, um in ausgesuchten Projekten die Lebensbedingungen für Kinder in ihren Familien und ihrer Umgebung nach und nach grundlegend zu ändern. Alle Projekte sind geprüft und beruhen u.a. auch auf persönlichen Kontakten.

Stiftungen verteilen keineswegs Almosen. Sie geben Kindern in ganz anderer Form eine Stimme. Gestalten wir Zukunft!


6. Anmerkungen
  1. Vgl. dazu Montessori, Maria: Der vergessene Bürger. In: Dies.: Kinderrechte. Hrsg. von Harald Ludwig in der Reihe „Montessori-Perlen“. Freiburg 2020, S. 9–18.
    Diese Perle sei jedem ans Herz gelegt, der in der Frage der Kinderrechtsbewegung weiter etwas erreichen will. Eindrucksvoll erörtert hier Montessori bereits etwa seit 1917, verstärkt dann ab Mitte der 1930er, die gravierenden Fragen des gesellschaftlichen Umgangs mit Kindern, kenntnisreich erläutert durch den Herausgeber dieser Perle Harald Ludwig. Dafür sei ihm ausdrücklich gedankt!

  2. aktion weltkinderhilfe – Linzer Straße 21, 53604 Bad Honnef. Stiftung in NRW, gegründet 2005, www.aktionweltkinderhilfe.de
    Spendenkonto:
    Bank für Sozialwirtschaft
    BIC: BFSWDE33XXX
    IBAN: DE26 3702 0500 0000 3311 13
    Je nach Rechtsform und Sitz der jeweiligen Organisation handelt es sich neben Stiftungen um Vereine, gemeinnützige GmbHs, Kapitalgesellschaften, NGOs usw. In der Regel werden die in dem jeweiligen Land gültigen Rechtsformen für die Gründung gemeinnütziger Organisationen gewählt.

  3. Es gibt viele Ausgaben mit den Kinderrechten. Hier verwendet wird die Broschüre von Terre des Hommes: Kinder haben Rechte – UN-Kinderrechtskonvention. Hg.: terre des hommes Deutschland e.V., Osnabrück 2003. www.tdh.de

  4. Vgl. Anm. 1

  5. Ebd., S. 10

  6. Ebd.

  7. Vgl. ebd., S. 17

  8. Vgl. ebd., S. 22 und das Nachwort dazu von Harald Ludwig, ebd., S. 69ff.

  9. Weitere Informationen:

    • https://www.tdh.de/waswirtun/arbeitsfelder/kinderrechte/

    • https://amnesty-kinderrechte.de/aktionen

  10. Vgl. Montessori, Maria: Die Ziele der sozialen Partei des Kindes. In: Dies.: Kinderrechte. Freiburg 2020, S. 50–53

  11. Auf zwei Klassiker zu diesem jetzt wieder hoch aktuellen Thema sei an dieser Stelle verwiesen:

    • Postman, Neil: Wir amüsieren uns zu Tode. Frankfurt (Fischer Tb.) 22. Aufl. 2021 (1988)

    • Hentig, Hartmut von: Der technischen Zivilisation gewachsen bleiben. Weinheim 2002
      (Hentig ergänzt hier das Verschwinden der Kindheit um das Verschwinden der Wirklichkeit.)

  12. Vgl. Lindgren, Astrid: Niemals Gewalt. Hamburg 2017, S. 19ff.

Literatur
  • Hentig, Hartmut von: Der technischen Zivilisation gewachsen bleiben. Weinheim 2002

  • Kinder haben Rechte. UN-Kinderrechtskonvention. Hrsg.: Terre des Hommes Deutschland e.V., Osnabrück 2003

  • Lindgren, Astrid: Niemals Gewalt. Hamburg 2017

  • Montessori, Maria: Kinderrechte. Die soziale Frage des Kindes. Hrsg.: Ludwig, Harald. Freiburg (Herder) 2020

  • Postman, Neil: Wir amüsieren uns zu Tode. Frankfurt (1988) 2021

Quellenangaben
  • https://amnesty-kinderrechte.de

  • https://aktion-weltkinderhilfe.de/ueber-uns/jahresberichte

  • https://badhonneftanzt.de/magic-futurefestical.html

  • www.cassiopeia-ev.de

  • www.codecv.org

  • www.deepam-auroville.in

  • www.fachco.de

  • www.kinderhospiz-sterntaler.de

  • www.learninghub.org.za

  • www.littlelambs-kapstadt.com

  • https://ses-bonn.de

  • https://shangilia.de

  • www.sterntaler-bonn.de

  • www.stiftungen.org

  • www.tdh.de

  • www.true-north.co.za

Alle Fotos:

Dr. Gudula Meisterjahn-Knebel

Autorin:

Dr. Gudula Meisterjahn-Knebel
Schulleiterin (i.R.) des Montessori-Internats Schloss Hagerhof in Bad Honnef; Gründungspräsidentin von Montessori Europe; Kinderhausgründerin, Autorin und Theorie-Dozentin in Montessori-Lehrgängen; langjährige Mitarbeit in unterschiedlichsten Bildungsorganisationen und Stiftungen; vielfach ausgezeichnet für ihre akademischen Leistungen und ihr internationales pädagogisches Engagement.

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