Bad Honnef, 20. April 2020 –

Das Corona-Virus hat schlagartig unsere Lebenssituation gravierend verändert. Auch die Situation fast all unserer Projekte weltweit ist eine andere und führt uns gerade schmerzhaft vor Augen, was eine Pandemie wirklich bedeutet. Es ist absehbar, dass wir hier in Europa glimpflich davonkommen werden, doch auf dem Kontinent Afrika sieht das ganz anders aus, aber natürlich auch in den Ländern Indien und Guatemala. Einmal mehr sind wir Europäer aufgefordert, den Blickwinkel zu ändern. Die Stiftung aktion weltkinderhilfe als Hilfsorganisation wird in diesem Jahr viel mehr Spenden noch brauchen werden, um die ärgste Not zu lindern. Viele der geplanten Vorhaben etwa baulicher Art können vielfach nicht fortgeführt werden, weil die Corona-Pandemie seit einigen Wochen die gewollten Aktivitäten lahmlegt.

Im Einzelnen erreichen uns aus den Projekten die folgenden Nachrichten:

Guatemala – Kochöfenprojekt

Nachricht vom 23. März 2020

Zur Zeit ist es ruhig in Guatemala, sehr ruhig, denn seit einer Stunde gilt erstmals eine Ausgangssperre. Bisher gibt es offiziell erst 17 Corona-Fälle, aber im ganzen Land können täglich auch nur 20 Tests durchgeführt werden. Viele gehen davon aus, dass die Situation in wenigen Wochen dramatisch sein wird. Denn an der Gesundheitsfront sind die Voraussetzungen katastrophal, da es nicht nur die üblichen Risikogruppen gibt, wie alte Menschen, sondern auch die Hälfte der Bevölkerung, die ihr Leben lang mit Unterernährung zu kämpfen hatten, verschiedenen Krankheiten nie behandelt wurden, und natürlich die vielen Frauen und Kinder, die täglich viel Zeit im Rauch offener Feuerstellen verbracht haben.

Die ökonomischen Auswirkungen der Pandemie sind schlimm. Die Mobilität ist eingeschränkt, seit Tagen fahren keine Busse mehr, so dass viele Leute nicht zur Arbeit kommen. Aber hier essen die Leute heute, was sie gestern verdient haben. Hungersnot, vor allem in den abgelegenen Dörfern, wird die Folge sein. Die Menschen sind nicht mehr in der Lage, ihre Familien zu ernähren. Das offizielle Hilfsprogramm der Regierung wird nicht ausreichen, Hilfe von außen wird notwendig. Transport gibt es seit zwei Wochen nicht mehr, die Gemeinden schotten sich ab und die Einkommensquellen der Menschen brechen weg. In vielen Landesteilen gibt es kein einziges Beatmungsgerät, und auch jetzt werden die nicht angeschafft. Wahrscheinlich werden wir nie überzeugende Statistiken darüber bekommen, wie sehr der Virus in den Dörfern der Mayabevölkerung gewütet haben wird.

Die aktion weltkinderhilfe konnte in den vergangenen Jahren mit der Lieferung der sparsamen Kochherde eine wichtige Rolle im Schutz tausender Menschen vor schädlichem Rauch spielen. Die Kochherdlieferungen der vergangenen Jahre führten zum Schutz der Lungen und Atemwege Tausender Menschen vor schädlichem Rauch. Damit sind ihre Überlebenschancen enorm gestiegen, denn nichts ist so gefährlich für infizierte Personen wie kontaminierte Lungen und Atemwege. Dieses Anliegen soll auch zukünftig verfolgt werden.

(Bericht – stark gekürzt: Andreas Boueke, Projektverantwortlicher in Guatemala)

Kapstadt, Hout Bay und Calitzdorp, Südafrika

Nachricht vom 05. April 2020

Elke Zwicker, Projektverantwortliche des SEEDS Trust, schreibt uns: Das Coronavirus ist nun auch in Südafrika angekommen und stellt unser aller Leben im Moment auf den Kopf.

Bereits am 18. März 2020 wurden vorsorglich alle Schulen und Kindergärten geschlossen und nur knapp eine Woche später folgte der komplette „Lockdown“: Eine vollständige Ausgangsperre, wie sie weltweit kaum vergleichbar und konsequent bisher durchgeführt wurde. Mit dieser strengen Maßnahme soll eine rasche Ausbreitung des Virus verhindert werden; die Konsequenzen aber führen uns gleichzeitig deutlich unsere Zweiklassen-Gemeinschaft vor Augen. Am schlimmsten trifft es die Menschen in den Townships, die auf engstem Raum leben.  Vergeblich versucht die Armee mit brutaler Gewalt die Menschen in ihre Hütten zu verbannen, doch dies scheint aussichtslos. Wie kann man auch den ganzen Tag mit seiner Familie in einem Raum von zirka 5 x 7 Metern ausharren? Wenn sie nicht am Virus erkranken, gehen sie seelisch kaputt. Zudem nimmt die häusliche Gewalt zu, denn der Alkohol- und Zigarettenverkauf ist verboten und der Drogenhandel steigt rasant an. Ganz zu schweigen von den finanziellen Folgen für Südafrika, die vielen Unternehmen und jeden Einzelnen!  Viele fallen durch das soziale Netzwerk und können auf keinerlei Unterstützung hoffen.

In Zeiten des Coronavirus ändert sich alles und die aktuelle Entwicklung zwingt zu außerordentlichen Maß­nahmen. Schulen und Kindergärten sind bis auf Weiteres geschlossen. Eine der größten Herausforderungen ist nun, dass viele Eltern unter diesen schwierigen Umständen das Schulgeld nicht bezahlen können und die Kindergärten so wirtschaftlich an ihre Grenzen geraten. Sehr besorgniserregend ist die Tatsache, dass nun die regelmäßige Versorgung der Kinder mit Essen nicht mehr sichergestellt ist. In den Kindergärten bekamen sie täglich zwei warme Mahlzeiten, doch nun sind viele Eltern bedingt durch den eigenen Lohnausfall nicht in der Lage, ihre Kinder zu Hause nicht ausreichend ernähren können.

Zudem müssen die Lohnzahlungen der Mitarbeiter geleistet werden, Unterstützung von außen kommt in den wenigsten Fällen. Alle Einrichtungen, die der SEEDS Trust unterstützt, sind auf Hilfen von außen angewiesen. Es zeigt sich, auch hier müssen die Spendengelder der aktion weltkinderhilfe in diesem Jahr anders als geplant eingesetzt werden, um die Projekte überhaupt zu retten.

IKhaya le Thema (Home of Hope), Hout Bay, Südafrika

Nachricht vom 09. April 2020

Susan Hill, die Schulleiterin des Projektes IKhaya le Themba: „Wir setzen all unsere Kraft in die Aufrechterhaltung des Kontaktes mit unseren Schülerinnen und Schülern und ihren Familien, um sicher zu sein, dass es ihnen gut geht.“ Eindringlich ermahnt sie alle zur Einhaltung der Ausgangssperre, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Auch geht es darum, die Familien in den Townships zu unterstützen, sind doch viele Eltern arbeitslos und nicht in der Lage, ihre Kinder umfassend selber zu ernähren. Der Verdienst der Eltern ist oft so gering, dass keine Rücklagen gebildet werden können und man immer von dem lebt, was am Tag verdient wird. Entsprechend groß ist die Not. Auch hier fehlt den Kindern die tägliche Schulspeisung.

Also packen die Mitarbeiter von IKhaya Lebensmittelrationen mit Grundnahrungsmitteln sowie Trinkwasser und auch Desinfektionsmitteln und verteilen sie an die Familien, die zum Teil unter unfassbaren hygienischen Bedingungen in den Townships mit unzähligen Familienmitgliedern auf engem Raum leben. Die Mitarbeiter von IKhaya helfen den Eltern auch beim Ausfüllen von Anträgen für staatliche Unterstützung. Doch auch sie selbst brauchen Unterstützung, weil auch ihr Einkommen wegfällt. Das gelingt nur über Spendengelder.

True North , Kapstadt, Südafrika

Nachricht vom 9. April 2020

Mit aller Kraft versucht man auch hier, das Erreichte zu sichern. Peter Hagen schildert für das Team, dass sie bestrebt sind, den Anteil von 50% des Einkommens der 105 Vorschullehrer, die von True North begleitet werden, über die Spendenbeiträge zu sichern. Dazu kommen Lebensmittelspenden wie Mais, Öl und Reis. Zudem gibt es einen Lunchbox Fund, mit dessen Hilfe den Familien 300 gefüllte Lebensmittelboxen für jeweils vier Personen zur Verfügung gestellt werden können. Für etwa 17 Euro kann folgender Inhalt zusammengestellt werden: „2.5kg maize meal, 1kg samp, 500 grams sugar beans, 1kg rice, 200g Beef Soya mince, 200g chicken soya mince, 500g of beef and veg soup powder, 500g Vitadrink, 500g porridge, 400g pilchards in tomato, 500g sugar, 500ml cooking oil, 26 teabags, 250g tea creamer powder, 2 toilet rolls, 100g bath soap.“

Denn auch hier ist die Nahrungssituation für die Kinder eher katastrophal, da die Schulspeisungen auch hier entfallen. Ohne Unterstützung von außen werden viele Kinder verhungern.

Über WhatsApp wird der Kontakt mit allen Schulleitern und Vorschullehrern gehalten und die Informationen der Ministerien bzw. der Regierung weitergegeben. Diese Informationen werden täglich aktualisiert. Über Lehrer-Eltern-WhatsApp-Gruppen werden die Informationen weitergegeben. Das Team von True North versucht zudem, mögliche pädagogische Aktivitäten, die die Eltern mit ihren Kindern durchführen können, damit auch zu Hause weiter gelernt werden kann bzw. in irgendeiner Form die Kinder geistig angeregt werden. Auch True North sammelt Spenden, um die Lohnfortzahlungen weiter vornehmen zu können, sowie Lebensmittelspenden.

DEEPAM (Indien)

Angelika Ehrle, die Gründerin von Deepam, berichtet am 30. März 2020

Letzte Wochen waren wir noch mitten in der Diskussion, welche Vorsichtsmaßnahmen wir einführen oder ob wir Deepam schließen sollten.
Dann wurde „von oben“ für uns entschieden. Es war sehr traurig unsere Kinder auf unbestimmte Zeit nach Hause schicken zu müssen. Sie hatten dermaßen große Fortschritte gemacht und unser Team war voller Tatendrang.
In Indien wird versucht, die kommunale Ausbreitung des Virus zu verhindern. Das öffentliche Leben wird mehr und mehr lahmgelegt.
Inzwischen wurden alle internationalen Flüge von und nach Indien eingestellt. Wir haben nun eine 3-wöchige Ausgangssperre und dürfen nur noch zum nötigsten Einkaufen raus und im Notfall. Ab Morgen werden die Lebensmittelläden nur noch morgens geöffnet sein. Dann werden die Schlangen noch länger sein.

Wie Sie wissen gibt es in Indien eine riesige Bevölkerungsschicht, die nur als Tagelöhner arbeitet und keinerlei Rücklagen hat. In Indien steigen bei Krisen erfahrungsgemäß sofort die Lebensmittelpreise. Hinzu kommen Spekulation und Korruption. Falls dieser Spuk sich dermaßen weiterentwickelt wie in Europa (was ich nicht hoffe!) befürchte ich, dass hier mehr Leute verhungern würden, als am Virus zu sterben. Auch sind die wirtschaftlichen Auswirkungen enorm.

Angeblich gibt es in unserer Region bisher keine Infizierten. Die Gesamtzahl in Indien ist immer noch recht niedrig, doch es wird kaum getestet und die Dunkelziffer ist bestimmt sehr hoch.

Unser Team ist in Kontakt per Whatsapp und wir unterstützen uns gegenseitig. Die Kollegen, die in der Nähe von Deepam wohnen wässern den Garten. Selvi wird die Gehälter online überweisen und ich mache die Kontaktarbeit weiter und kümmere mich um unsere Volontäre. Wir rechnen damit, dass die Ausgangssperre auf 3 Monate verlängert wird und werden schauen, wie wir unsere Kinder unterstützen können, besonders diejenigen Familien, die sehr arm sind. Wir haben bei Deepam bereits einen Vorrat an Getreide gelagert.

Die Natur und Mutter Erde freut sich allerdings über den Stillstand. Als Menschheit werden wir gezwungen nach innen zu gehen und zu reflektieren.
Hoffe es folgen langfristige positive Konsequenzen zum Wohle aller.

KASAMBYA/UGANDA

Peter Hurrelmann, Projektleiter, am 18. April 2020

Wir arbeiten im 3. Bauabschnitt und es werden derzeit 10 Lehrerwohnungen, ein Verwaltungsgebäude und eine umzäunende Mauer gebaut. Für den gesamten Bau wurde ursprünglich ein Zeitraum von 6 Monaten veranschlagt. Unsere Schule – wie auch alle anderen Schulen in Uganda – ist seit dem 20. März bis zunächst zum 26. April geschlossen. (An unserer Schule lernen derzeit 390 lokale Schüler, davon 87 Internatsschüler aus allen Teilen Ugandas. Die Gesamtkapazität der fertigen Schule beträgt gut 500 Kinder.)

Ganz Uganda hat laut aktueller Statistik 55 Infizierte, 20 Genesene und bisher keinen Todesfall durch Covid -19.

Staatspräsident Museveni hat sehr harte Maßnahmen erlassen. Nur Lebensmittelgeschäfte sind geöffnet, auch auf Märkten darf gekauft werden, aber mit vier Metern sozialer Distanz. Die Markthändler müsse allerdings 14 Tage auf dem Markt schlafen. Das gilt auch für Fabrikarbeiter, man darf arbeiten, aber muss in der Fabrik schlafen. Ebenso die Bauarbeiter, sodass das von der aktion

weltkinderhilfe unterstützte Projekt nun einen Vorteil hat, denn die Bauarbeiter können im Internat der leeren Schule schlafen und die Arbeiten gehen weiter.

Ab 19 Uhr ist Ausgangssperre. Zusätzlich gibt es viele Einzelregelungen.

Wie uns berichtet wird, hungern die Menschen wenigstens nicht. Die meisten Familien haben genug zu essen um die Covid-19 Pandemie zu überleben.

Wir haben stets einen ständigen Kontakt zu unserem Projektleiter Stephen Jumba und er berichtet fast täglich auch mit Fotos. Status ist, dass die Arbeiten in der leeren Schule sehr gut vorankommen. Die 14 Arbeiter arbeiten auf dem Bau und sie schlafen mit ausreichend Abstand in den großen Schlafsälen der Internatskinder auf dem Campus. Verpflegt werden sie aus der Schulküche, die sich ebenfalls auf dem Campus befindet. Alle wurden im Vorfeld über die notwendigen Verhaltensweisen informiert (Abstand, Hände waschen).

Spannend wird es, wenn die Schule tatsächlich ab dem 27. April ihre Pforten wieder öffnet. In der abgelegenen Region Kasambyas ist das Virus vermutlich noch nicht angekommen, aber was ist mit den Internatskindern, die zum Teil von teilweise über 200 km entfernt aus dem ganzen Land wieder anreisen?

(Text leicht verändert)

CENTRE DES MÉTIERS (ABN), OUGADOUGOU/BURKINA FASO

Rakieta Poyga, der Präsidentin von ABN-Association Bangr Nooma, berichtet am 19. April 2020

Aktuell leidet das Land nicht nur unter der Corona-Pandemie, sondern auch unter großer Hitze (42 Grad). Neben dem Dengue – Fieber und anderen Infektionen nun auch noch Covid-19. Die Bevölkerung hat kaum Zugang zu sauberem Wasser. Dieses wird bereits in größeren Behältern zu horrenden Preisen gehandelt.

Seit dem 16. März ist das Berufsausbildungszentrum geschlossen. Der Kontakt zu den Lehrern ist regelmäßig, zu den Schülern nicht. Sie leben zum Teil auf der Straße oder auch weit entfernt von der Schule. Nicht alle haben ein Handy. Es sieht so aus, als ob das Virus bisher nicht in die Dörfer gelangt ist. Allerdings liegt aus Kienfangué von den Grundschulen aufgrund der Ausgangssperre und Kontaktschwierigkeiten keine Nachricht vor. Keiner darf seinen Wohn- bzw. momentanen Aufenthaltsrot verlassen.

Ein großes Problem ist die Ernährung, da nur noch kleine Lebensmittelläden geöffnet haben dürfen, die Wandermärkte sind geschlossen, mit der sich die Mehrzahl der Bevölkerung am Leben erhält. Die meisten Menschen sind so arm, dass sie nur von der Hand in den Mund leben. Sie haben keinerlei Rücklagen. Das trifft die Stadtbevölkerung härter als die Menschen auf dem Land, wo häufig noch in geringem Maße zumindest die Selbstversorgung klappt. Rakieta Poyga spricht bitter von Menschen erster und zweiter Klasse. Unterstützung durch die Politik bleibt komplett aus. Die Politiker sidn nicht am Wohlergehen ihrer Bevölkerung interessiert. Stattdessen findet der Wahlkampf weiter statt, weil im Herbst Wahlen sind. Es gibt Prügeleien und Kämpfe um Lebensmittel, die Gendarmerie und auch das Militär gehen erbarmungslos gegen die Menschen vor.

Burkina Faso hat e i n Labor in Bobo-Dioulasso. Im ganzen Land gibt es k e i n Beatmungsgerät. Wieviel Menschen am Virus erkrankt sind, weiß daher niemand, auch nicht, wieviel Todesopfer aufgrund des Virus zu beklagen sind. Befürchtet werden sehr hohe Zahlen.

Ab dem 27. April gilt eine Maskenpflicht. Das Team des Centre des Métiers versucht derzeit, für jeden der 96 Schüler zwei Masken zur Verfügung stellen zu können. Geplant sind zudem kleine Lebensmittelpäckchen mit Grundnahrungsmitteln wie Reis, Zucker, Mehl, Desinfektionsgel, Mundschutz, Seife usw., die die Schüler nach und nach in der Schule abholen können. Weil die Schulen geschlossen sind, haben aber auch die Lehrer und die weiteren Mitarbeiter der Schule keinerlei Einkommen. Es gibt keinerlei finanzielle Hilfen des Staates. Soweit Frau Poyga.

Für die aktion weltkinderhilfe bedeutet das, Spendengelder nun für die Lehrerbezahlung zur Verfügung zu stellen und auch für die Lebensmittelnotrationen, wie oben beschrieben. Unschwer wird deutlich, dass auch in diesem Projekt in diesem Jahr mehr Spenden als normalerweise benötigt werden, weil nun der Kampf ums Überleben dazu kommt.

Ungeachtet dieser ganzen an sich schon furchtbaren Lebenssituation gehen die fast täglichen Kämpfe mit den Terrorgruppen an den Grenzen weiter. Das hat zu 800.000 Binnenflüchtlingen geführt, die ihr Dasein in Zeltstädten fristen und nun ebenfalls durch das Corona-Virus bedroht werden.

SHANGILIA, NAIROBI/KENIA

Newsletter vom 15. April 2020, dort berichtet Anja Faber, die 1. Vorsitzende:

Noch im Februar schien alles in Shangilia seinen normalen Gang zu gehen. Die neuen Lehrer hatten sich gut eingelebt, das neue Team war komplett. Die Kinder spielten vergnügt mit den Volontären und die Mädchen trainierten mit Alexis hart für ihre einstündige Tanzaufführung.

Seit der erste Fall des Coronavirus‘ im März in Kenia gemeldet wurde, änderte sich auch in Shangilia Vieles. Alle Schulen wurden sehr kurzfristig geschlossen, natürlich auch die Schule in Shangilia. Die Kinder aus dem benachbarten Slum dürfen derzeit nicht zu Shangilia kommen, was allen Angestellten und uns besondere Sorgen bereitet. Die Heimkinder sind zu einem großen Teil in Shangilia. Viele Kinder sind ein wenig verängstigt und da gilt es für die Angestellten, die Kinder zu beruhigen. Ihre Sorge galt den Volontären, als sie nach Deutschland zurückkehren mussten, da dort die Pandemie bereits weiter vorgeschritten war.

Das Grundstück dürfen nur noch wenige Menschen betreten und ausschließlich mit Masken. Stetes Händewaschen gehört für alle zum Pflichtprogramm. Die Angestellten, die in Shangilia wohnen, haben ein Betreuungsprogramm für die Kinder entwickelt. Die großen Kinder nutzen die Zeit, um den Unterrichtsstoff zu wiederholen. „Es ist wichtig, nun zusammen zu stehen und sich gegenseitig zu unterstützen“, sagt Japheth Njenga, der Direktor von Shangilia. Wir sehen dies genauso und gemeinsam mit Ihrer Hilfe werden wir diese Krise überstehen. Wir hoffen nur, dass das Virus um Shangilia einen Bogen macht.

Die Situation der meisten Menschen in Nairobi ist in Zeiten des Lockdown gleichwohl prekär. Das Haus nicht verlassen zu dürfen bedeutet für eine Mehrzahl der Kenianer, dass ihre Existenz bedroht ist. Wie in vielen anderen afrikanischen Ländern ist die Situation auch in Kenia schwierig. Mehr als 60 Prozent der Bevölkerung leben im Slum und haben dort keinen Zugang zu sauberem Wasser oder Seife. So wie unser Schüler Abel Msiri. Er ist sieben Jahre alt und lebt mit seinen beiden Geschwistern und seinen Eltern auf rund zehn Quadratmetern. Ihre Wellblechhütte liegt gleich gegenüber vom Shangilia-Grundstück. Eine Toilette, ein Waschbecken, eine Küche – all das gibt es hier nicht. Arbeit hat der Vater im Augenblick keine, seine Mutter verdient ein bis zwei Euro am Tag, wenn sie die Wäsche reicher Menschen waschen kann. Doch mit der Empfehlung, Kontakte zu vermeiden und Zuhause zu bleiben, bekommt sie keine Aufträge mehr und nun ist auch diese Einkommensquelle versiegt. Und so wie Familie Msiri geht es den meisten Menschen in der kenianischen Metropole. Die Wege durch die Slums sind schmal und unbefestigt, Abstand halten und Hygiene beachten ist quasi ein Ding der Unmöglichkeit. Gleichzeitig sind die Hütten so eng, meist gerade einmal neun Quadratmeter groß, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist, dass sich alle Familienmitglieder rund um die Uhr 24 Stunden am Tag dort aufhalten. Wenn die Kontaktverbote wegen des Coronavirus noch lange aufrechterhalten werden, werden die Menschen in den Slums verhungern. Denn eine Sozialversicherung und finanzielle Ausgleichszahlungen vom Staat gibt es nicht.

Für die schon vorher angeschlagene Wirtschaft ist die Corona-Pandemie eine Katastrophe. Der Tourismus ist eingebrochen, staatliche Unterstützung wie in Deutschland gibt es nicht. Und nicht zu vergessen, die Naturkatastrophe, die bereits im Dezember 2019 über Kenia hereingebrochen ist: Riesige Schwärme von Wüstenheuschrecken, die in vielen Teilen von Kenia alles Grün kahlfressen haben. Die Corona-Pandemie hat diese Katastrophe völlig in den Schatten gestellt und niemand kümmert sich nun darum, diese Plage zu bekämpfen. Es wird damit gerechnet, dass die Heuschrecken schon in den kommenden Wochen damit beginnen werden, die Pflanzen, die gerade gesät wurden, zu fressen. Dann würde eine zusätzliche Hungersnot drohen. Ganz unabhängig von Corona.