Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Spender*innen,
schweren Herzens mussten wir Deepam im März für unsere Kinder schließen. Es war traurig, sie auf unbestimmte Zeit nach Hause zu schicken und nicht zu wissen, wann und in welchem Zustand sie zurückkommen. In 28 Jahren hatten wir nie länger als zehn Tage Ferien.
Unsere Dharani hat die abgebildete Stickerei während der Ausgangssperre zu Hause angefertigt.
„Hallo, ich bin Dharani, ich vermisse die Deepam Schule und möchte euch alle wiedersehen. Wir werden gegen Corona gewinnen!” Dharani ist inzwischen 23 Jahre alt und kommt, seit sie zwei war, zu Deepam. Leider hat sie eine angeborene neurologische Erkrankung, die mit schwerer Epilepsie und anderen Komplikationen einhergeht. Ihre Eltern sind an HIV verstorben, und Dharani musste über die Jahre viele Schwierigkeiten meistern. Glücklicherweise kümmert sich ihre
ältere Schwester liebevoll um sie, und wir unterstützen diese Familie finanziell. Bei Deepam hat Dharani Krankengymnastik, Bildung, sowie medizinische und soziale Hilfen erhalten; sie hat in jeder Hinsicht enorme Fortschritte gemacht und wir sind echt stolz auf sie.

Wegen Corona gab es in ganz Indien für zwei Monate eine totale Ausgangssperre, und das öffentliche Leben wurde lahmgelegt, um die kommunale Ausbreitung des Virus zu verringern. Schulen, Universitäten und Fabriken wurden geschlossen und alle öffentlichen Verkehrsmittel, einschließlich Flügen, wurden komplett eingestellt. Alle waren angehalten, zu Hause zu bleiben. Nur essentielle Services und Lebensmittelgeschäfte waren eingeschränkt zugänglich, und seither ist es Pflicht, Schutzmasken an öffentlichen Orten zu tragen und es gelten Abstandsregelungen. Da Millionen von Menschen in Indien von dem leben, was sie am Tag verdienen, hatten sie kein Bargeld zur Verfügung. Die Regierung verteilt zwar einen gewissen Betrag an Reis, Hülsenfrüchten, Öl und Zucker an die allerärmsten Haushalte der Bevölkerung, aber kein Gemüse oder Obst und die Lebensmittelpreise steigen tendenziell in derartigen Krisensituationen. Zum Glück konnten mittlerweile viele Menschen ihre Arbeit wieder aufnehmen, allerdings hat die Arbeitslosigkeit extrem zugenommen und es gibt keine soziale Absicherung. Die Auswirkungen des wirtschaftlichen Einbruchs werden wahrscheinlich jahrelang anhalten, und langfristig ist zu befürchten, dass mehr
Menschen an Hunger und Folgeerkrankungen sterben werden als am Virus. Zum Glück sind die Menschen in Indien generell positiv eingestellt und hart im Nehmen, und es bleibt zu hoffen, dass viele einen Weg finden, um diese herausfordernde Situation zu meistern.
Bei uns im ländlichen Raum gab es in den ersten vier Monaten wenig Infizierte. Paradoxerweise wurde die Wirtschaft nach und nach hochgefahren, seit die Zahl der positiven Fälle stetig steigt. Arbeitsplätze, Läden und Restaurants dürfen wieder geöffnet sein; allerdings bleiben Schulen, Therapie- und Sporteinrichtungen weiterhin geschlossen. Seit es wieder öffentliche Verkehrsmittel und Inlandsflüge gibt, nahm die Zahl der mit COVID-19 infizierten Personen in Auroville und den umliegenden Dörfern zu. Mittlerweile hatten wir den ersten Corona-Fall in unserem Team. Zum Glück hat sich unsere Mitarbeiterin schnell davon erholt. Vorsichtshalber waren alle unsere Mitarbeiter*innen für einige Tag zuhause in Quarantäne, und glücklicherweise hatte sich niemand angesteckt. Unser engagiertes Team ist auch in dieser schwierigen Zeit voller Tatendrang und steht mit unseren Kindern und deren Familien in Kontakt (Eindrücke dazu auf unserer Webseite). Wir helfen, wo es notwendig ist, mit Lebensmitteln, Medizin, Gebrauchsartikeln, in einzelnen Fällen sogar mit Bargeld, und einige Kinder bekommen Hausaufgaben. Auch nutzen wir die Zeit für Fortbildungen, Besprechungen und Instandhaltungsarbeiten. Seit September dürfen wir bei Deepam den Werkraum mit den vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen wieder für die älteren Schützlinge öffnen. Fast in ganz Indien sind immer noch alle Schulen geschlossen, und es ist noch nicht abzusehen, wann wir unsere kleineren Kinder wieder behandeln dürfen. Leider werden wir immer wieder in unserem Eifer gebremst. Die Ungewissheit und dass sich die Situation dermaßen in die Länge zieht, macht allen zu schaffen. Andauernd gilt es, sich an veränderte Umstände anzupassen, und leider gibt es öfter Rückschritte. Längst ist noch nicht abzusehen, wie sich die Lage in Indien noch entwickeln wird.
Eine neue Kläranlage:
In Auroville gibt es keine zentrale Wasser- und Abwasserversorgung. Einen tiefen Brunnen können wir für Deepam mit mehreren Nutzern teilen. Zum Speichern unseres Brauchwassers haben wir vor Jahren einen Untergrundtank gebaut, der 15.000 Liter fasst, von wo das Wasser automatisch in zwei Tanks gepumpt wird, die auf dem Dach montiert sind. Die Kläranlage, die wir seit 25 Jahren mit mehreren Parteien teilten, war nicht mehr funktionstüchtig und wir haben uns nach vielen Erkundigungen entschieden, eine moderne Anlage zu bauen. Anfang März wurde endlich ein großes Loch ausgehoben und die ersten Fertigbetonteile angeliefert. Dann kam unerwartet der Corona-Lockdown, der diese Baumaßnahme, die für zwei Monate angesetzt war, enorm erschwert und hinausgezögert hat. Doch seit einigen Wochen bereitet die neue Anlage unser Abwasser effektiv auf, und wir können es zum Bewässern des Gartens nutzen.

Während der Ausgangssperre hat unsere Mitarbeiterin Leo für einige unserer älteren Jungs ein wunderbares Projekt auf einer Bio-Farm in Auroville initiert. An fünf Tagen der Woche helfen sie morgens beim Unkrautjäten, Zurückschneiden, Mulchen und Kompostieren und nehmen mit anderen Freiwilligen zusammen ein leckeres Frühstück ein. Akash ist autistisch und kann sich nur begrenzt verbal ausdrücken. Außerhalb würde er keine Arbeit finden, doch auf der Farm blüht er regelrecht auf. Sein Vater hat vor einigen Jahren Selbstmord begangen, und seither nimmt Akash zuhause den männlichen Part ein, was so weit geht, dass er, nach dem Vorbild seines Vaters, seine Schwester und seine Mutter schlägt. Seit Akash zur Farm kommt, hat die Agression zu Hause deutlich nachgelassen – er erfüllt seine Männerrolle, indem er arbeiten geht und Früchte und Gemüse mit nach Hause bringt. Er selbst hat eine Vorliebe für Spinat entwicklt und isst und schläft besser. Als Akash Anfang August zur Farm kam, wusste er nicht, wie man Gartenwerkzeuge oder eine Schubkarre handhabt. Inzwischen belädt er mit der Mistgabel selbstständig die Schubkarre und hat ein zufriedenes Lächeln im Gesicht.
Im vergangenen Jahr hat unser Team gleich von drei wunderbaren Frauen Unterstützung bekommen, die sich in Auroville niedergelassen haben und ihre qualifizierte berufliche Erfahrung ehrenamtlich einbringen und so unsere Arbeit mit den Kindern bereichern.
„Ich heiße Leo. Ich bin nach Auroville gezogen und hoffe, lange hier zu bleiben. Nach vielen Jahren mit oft unbefriedigenden Erfahrungen im Gesundheitswesen als Ergotherapeutin in England ist es für mich erquickend, an dieser wunderschönen Mischung von indischer und westlicher Arbeitsweise teilzuhaben. Deepam ist für mich ein wirklich besonderer Ort, und ich bin dankbar, ein Teil davon sein zu dürfen. Ich empfinde es als eine Ehre, mit diesen Kindern und Jugendlichen zu arbeiten und mitzuerleben, wie sie bereits in der kurzen Zeit, seit ich dabei bin, aufblühen. Ihre Energie und Kreativität und auch die Herausforderungen, die sie mit sich bringen, kann ich voller Freude erleben.“
„Ich bin Patricia aus Frankreich. Bei Deepam habe ich mich schnell zuhause gefühlt, wie in einem warmen und lebendigen Kokon, wo fundamentale Werte wie Zuhören, Respekt und der Geist gegenseitiger Hilfe praktiziert werden. Ich darf hier Shiatsu anbieten, eine Methode, die mir ans Herz gewachsen ist. Durch Druck mit den Fingern auf die Akupunkturpunkte entlang der Meridiane wird Schmerz gelindert, Emotionen werden beruhigt und so entsteht tiefer innerer Friede. Am meisten berührt mich die Tiefe in den Augen der Kinder, ihre Ehrlichkeit und ihr andauerndes Staunen. Ihr Einfluss erhellt meinen Pfad – Deepam bedeutet Licht und ich bin dankbar dafür, dass meine Reise, in Auroville zu leben unter diesem Licht begonnen hat.”
„Ich bin Swati, ausgebildete Physiotherapeutin aus Mumbai, und arbeite mit Kindern, die in ihrer motorischen Entwicklung hinterher sind. Mein Anliegen ist es, diesen Kindern mehr Bewegungsmöglichkeiten zu vermitteln. Meine Vorgehensweise ist sanft, und ich lasse mich von den Bedürfnissen der Kinder leiten. Ich bin glücklich, mit Deepam in Verbindung gekommen zu sein, wo die Umgebung dafür geschaffen ist, Kindern mit besonderen Bedürfnissen auf jegliche Weise und für alle möglichen Aspekte ihres Lebens wahre Hilfestellung zu geben.”
Unsere elf fest angestellten Mitarbeiter*innen möchten sich bei unseren treuen Spender*innen bedanken, die es ermöglicht haben, dass sie in den letzten Monaten ihr volles Gehalt bekamen. In dieser schwierigen Zeit freuen wir uns ganz besonders über finanzielle Unterstützung und hoffen, dass Sie alle gesund und wohlbehalten sind!
Mit besten Wünschen von Deepam aus Südindien,
Angelika Ehrle & Lawrence Selvi
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